Angehörige von Alkoholabhängigen
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Abhängigkeit ist ein schwer zu verstehendes Phänomen. Geht es um das Thema Alkoholabhängigkeit, taucht auch der Begriff Co-Abhängigkeit auf.
Insider wissen oder haben erfahren, was damit gemeint ist, und in Fachkreisen gehört dieser Begriff inzwischen zum gängigen Vokabular.
Alkoholmissbrauch bis hin zur Alkoholabhängigkeit spielen sich immer in einem sozialen Umfeld ab. Der Verlauf der Alkoholkrankheit geschieht in enger Wechselwirkung
zwischen dem Kranken und seinen Bezugspersonen. Jeder spielt mit: Der Abhängige, seine Familie, seine Freunde und Kollegen, und, in vielen Fällen, auch seine
Berater: Ärzte, Vorgesetzte etc. .
Angehörige von Alkoholabhängigen gehen ebenso durch die Hölle wie die Betroffenen selbst. Die verschiedenen Parteien, die sich eigentlich gegenseitig helfen wollen,
entwickeln in diesem oft jahrelangen Ablauf ein ganz bestimmtes Rollenverhalten, das meist gravierende Auswirkungen auf ihre menschlichen und sozialen Beziehungen hat.
Die Bezugspersonen des Kranken verhalten sich "falsch" und ihnen ist nicht klar, dass sie damit den Weg in die Abhängigkeit unterstützen und die Krankheit verlängern,
dass sie zu Suchtunterstützern werden.
Vor allem Familienmitglieder geraten über das "Helfen wollen" zunehmend in die Entfremdung ihrer eigenen Persönlichkeit. Sie übernehmen laufend Verantwortung für
die Bedürfnisse anderer und geben ihren eigenen Bedürfnissen keinen Raum mehr. Ihre Gesundheit, ihre Psyche, ihre Leistungsfähigkeit, ihr ganzes soziales Leben
nehmen Schaden. Psychosomatische Erkrankungen sind die Folge. Angehörige werden zu Krisen- und Problemmanagern. Ihr Lebensinhalt und ihre Lebensenergien kreisen
in erster Linie um das trinkende Familienmitglied. Tag für Tag versuchen sie, seine Probleme zu lösen und aufzufangen, sein Verhalten zu verstehen, zu manipulieren,
zu entschuldigen, zu decken, vor der Außenwelt zu verbergen oder darauf zu reagieren. Alle Versuche, den Abhängigen "trocken zu legen", scheitern aber. Was bleibt,
sind Enttäuschung, Empörung, Wut, Verzweiflung, Hass, Schuldgefühle, Frust, Trauer, Leid, das Gefühl der Ausweglosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Isolation, alles
Symptome, die Fachleute als Co-Abhängigkeit beschreiben.
Das Verhalten des Co-Abhängigen kann auch als zwanghaft bezeichnet werden. Es ergänzt sich in fataler Weise mit dem Verhalten des Abhängigen. Co-Abhängige
helfen weder sich selbst noch dem Kranken, geschweige denn den Kindern. Das ist keine Schuldzuweisung. Keiner trägt Schuld an diesem tödlichen Spiel. Die Krankheit
Alkoholismus zu verstehen, ist für Angehörige zu gut wie unmöglich, nicht mal der Abhängige versteht was er tut und warum er es tut. Trotzdem ist es wichtig, sich zu
vergegenwärtigen, dass Alkoholismus eine Krankheit ist und keine Charakterschwäche. Wird der Alkoholkranke aber nicht klar mit den negativen Auswirkungen seiner
Krankheit konfrontiert, wird er aus eigener Überzeugung nichts dagegen tun, außer seine Krankheit zu verleugnen. Das ist so. Eine Heilung kann nur einsetzen, wenn
der Abhängige die Verantwortung für seine Lebensgestaltung selbst übernimmt und die Konsequenzen seines durch die Krankheit bedingten Verhaltens selbst tragen muss.
Nur er selbst kann seinen Scherbenhaufen lichten. Solange seine Bezugspersonen diese Tatsache ignorieren, wird er sich weigern, die Realität seines Verhaltens zu sehen.
Er wird weitertrinken. Diese Erkenntnis ist schmerzhaft, aber notwendig. Ohne einen konstruktiven Leidensdruck wird der Abhängige keinen Ausweg aus seiner Krankheit
finden.
Der Umgang mit der Alkoholkrankheit ist kompliziert. Ein Ausweg aus diesem zerstörerischen Ablauf erfordert ein Umdenken des Begriffs Helfen. Angehörige müssen
bereit sein, sich die Frage zu stellen, helfen sie beim Erkennen oder beim Leugnen der Krankheit. Denn auch sie verdrängen das Ausmaß der Alkoholproblematik, auch sie
wollen nicht wahrhaben, dass ihr Partner/ihre Partnerin, ihre Tochter/ihr Sohn, ihre Mutter oder ihr Vater, ihr Freund/ihre Freundin, ihr Arbeitskollege/ihre Arbeitskollegin
alkoholabhängig sind. Auch sie spielen das Problem zunächst herunter, auch sie müssen ihre Schmerzgrenze erst erreichen, was sehr lange dauern kann. In den
Selbsthilfegruppen für Angehörige wurde der Begriff "Hilfe durch Nichthilfe" geprägt. "Hilfe durch Nichthilfe" bedeutet nicht, dass der Kranke fallengelassen wird, sondern
dass er die Konsequenzen seines Verhaltens selbst verantworten muss. Nur so kann er zu einer Krankheitseinsicht gelangen. Helfen im traditionellen Sinne kann der
Angehörige erst, wenn der Kranke selbst wirklich von seiner Abhängigkeit loskommen will.
Das heißt, Angehörige müssen sich früher oder später mit dem Thema Co-Abhängigkeit befassen, sonst können auch sie ihr Leben nicht mehr selbst bestimmen.
Sonst spielt sich ihr Leben ab wie auf einer Achterbahn, und sie werden krank, unglücklich und einsam. Die Krankheit Alkoholismus macht vor ihnen nicht Halt, sie kann
sie selbst, ihre Kinder, ihr Berufsleben und ihre Partnerschaft zerstören. Auch Angehörige müssen lernen, über ihren Schatten zu springen und Hilfe in Anspruch zu nehmen,
um sich von den verheerenden Folgen dieser zerstörerischen Krankheit zu erholen und zu ihrem eigenen Leben zurückzukehren. Das Loslassen des Problems ist ein
wichtiger Schritt, um sich aus dem destruktiven Kreislauf der Co-Abhängigkeit zu befreien. Denn vor dem Alkohol sind alle machtlos und den Schlüssel zur Abstinenz hat nur
der Betroffene selbst in der Hand.
Ein Schritt in die richtige Richtung ist, eine Selbsthilfegruppe für Angehörige zu kontaktieren.
Auf der Homepage von
Al-Anon finden Sie auch eine solche Gruppe in Ihrer Nähe.
Quelle: Fraunhofer Gesellschaft.
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